Weltkonferenz in Paris, 19. - 24. August 1855

Weltkonferenz in Paris, 19. - 24. August 1855

William Chauncy Langdon

Die Idee - entwickelt von Dunant und Langdon

Das Zustandekommen dieser Konferenz ist weitgehend Henri Dunant zu verdanken. In seiner Eigenschaft als Handelsreisender und Sekretär des Genfer-Vereins hatte er schon frühzeitig Verbindungen geknüpft mit Vereinen, die bereits früher in Deutschland bestanden oder kurz vorher in Frankreich, Holland, Italien usw. gegründet wurden. Er hatt eine starke Neigung, international zu denken und liess seinen Gedanken ein spontanes Handeln folgen. Mit den Vereinen, die er nicht durch persönliche Besuche erreichen konnte, trat er in Briefwechsel. Dabei fand er im Sekretär des CVJM Washington, William Chauncy Langdon, einen Freund, der gleich ihm einen Weitblick hatte und international dachte. In diesem Briefwechsel wurde der Gedanke wach, zu einer Weltkonferenz zusammenzurufen und einen Weltbund zu bilden. 

 

 

Quelle: "Werden, Wachsen und Wesen der Christlichen Vereine Junger Männer." 1968. S. 18

 

Warum in Paris?

Dass die Konferenz 1855 nach Paris verlegt wurde, beruht auf zwei Umständen. In diesem Jahre sollte die zweite Weltausstellung in Paris stattfinden, und wahrscheinlich auch aus diesem Grunde hatte die Evangelische Allianz beschlossen, ihre Konferenz dort durchzuführen. Verschiedene besuchten beide Konferenzen, diejenige des CVJM und der Allianz. 

 

Konferenzteilnehmer

Die Zahl der an der CVJM-Konferenz vertretenen Delegierten im Durchschnittsalter von 23 Jahren aus neun verschiedenen Ländern betrug 99, davon waren jedoch nur 38 bevollmächtigte Delegierte.

 

Sonntag, 10. August 1855

Die Konferenz wurde mit einer Predigt am Sonntag, 10. August 1855 in der Chapelle Taibout durch den später als Politiker berühmt gewordenen Edmond de Pressensé gehalten und in der englischen Kirche durch Pfarrer Charles Cook. 

Am Abend besammelten sich etwa 50 Teilnehmer im Lokal des Pariser-Vereins. Diese Stunde, die für viele die erste Gelegenheit eines persönlichen Zusammentreffens mit Brüdern wurde, deren Namen schon lange bekannt waren, wurde vor allem dem gemeinsamen Gebet gewidmet.

 

Montag, 11. August 1855

Am folgenden Morgen wurde die Konferenz um 9 Uhr mit einer Morgenandacht eröffnet, die Eugène Laget aus Nîmes hielt, einem jener Orte, mit denen Dunant früher in lebhafter Verbindung gestanden hatte. Der Vorsitzende war der Präsident des Pariser-Vereins, einer der Vizepräsidenten war der Genfer Kaufmann Max Perrot, einer der beiden Sekretäre der Konferenz war Edouard Barde aus Genf, späterer Professor und Vorsitzender des CVJM-Weltbundes, damals Sekretär des CVJM Genf.

Als erstes wurden an dieser Konferenz die Berichte der verschiedenen Länder erstattet. Diese Berichte waren äusserst interessant und gaben Einblick über die Entstehung und die Ausbreitung der Vereine in diesen Ländern. Sie zeigten klar, wie weltoffen die Arbeit in den Vereinen gedacht war, wie gerade aber ein breites Arbeitsprogramm eine feste Gründung auf das Wort Gottes notwendig machte. Betont wurde z.B. im Bereicht des Franzosen Laget die Einheit der Gemeinde Christi über alle kirchlichen Grenzen hinweg. 

 

22. August 1855

Bei der Zusammenkunft vom 22. August 1855, nachmittags 3 Uhr schlug der amerikanische Delegierte Pfr. Stevens vor, ein einigendes Band zwischen den verschiedenen Vereinen zu schaffen. Damit sollte nicht einzig die Bewegung als solche gestärkt werden, sondern vielmehr auch ein Zeugnis der Einheit der Kirche Christi gebildet werden. Konkret wurde von Amerika dieser Zusammenschluss auch gewünscht, da die Gefahr bestand, dass sich die junge Bewegung des Rassenproblems wegen aufsplittern könnte.

"Lasst uns zeigen, dass wir nicht in erster Linie zusammengekommen sind, um einander im Hinblick auf das Erreichte zu beglückwünschen, sondern vielmehr, um in Gottes Namen eine Grundlage für die zukünftige Arbeit zu legen."

Pfarrer Stevens hatte für diese Zusammenkunft einen Vorschlag ausgearbeitet, der fünf Punkte umfasste.

  • Der erste Punkt sah vor, dass die Vereine durch Glieder von evangelischen Kirchen geleitet werden sollten,
  • der zweitete, dass auch die Möglichkeit geschaffen würde, wonach die Vereine im Bedarfsfalle auch "verassozierte" Mitlglieder (eingeschriebene Mitglieder) aufnehmen könnten.
  • Sodann wurde in einem dritten Punkt vorgeschlagen, dass keine Unterschiede im Verständnis von untergeordneten Fragen die Zusammenarbeit stören dürften.
  • Der vierte Punkt verlangte eine Mitgliedkarte, die die Glieder beim Umzug an einen andern Vereinsort ausweisen sollten.
  • Der fünfte Punkt sah die Regelung eines besonderen Korrespondenzsystems vor. 

Die Versammlung nahm mit tiefstem Interesse und Aufmerksamkeit die Ausführungen Pfr. Stevens an. Herr Monnier, der 23-jährige Vertreter des CVJM Strassburg, unterstützte die Anliegen, wünschte jedoch eine andere Grundlage.

"Wir sind ergriffen über der Tatsache, dass wir so tief die Einheit in Christus erkennen dürfen. Unsere Verpflichtung ist es, dieser unserer Einheit Ausdruck zu geben. Es ist nicht unsere Aufgabe, diese Einheit zu schaffen. Sie ist bereits da."

Der amerikanische Vorschlag schin ihm jedoch zu wenig klar, nachdem viele der europäischen Kirchen kein besonderes Bekenntnis und keine besondere Umkehr als Voraussetzung zur Kirchenzugehörigkeit zur Bedingung machen. 

 

Quelle: "Werden, Wachsen und Wesen der Christlichen Vereine Junger Männer."

1968. S. 18-19

Die Pariser Basis

Monnier schlug deshalb vor, die folgende Basis anzunehmen: 

"Die Teilnehmer dieser Konferenz, die sich in den Grundsätzen und in der Arbeit eins wissen, schlagen den vertretenen Vereinen vor, im Wissen um diese, zwischen den Vereinen bestehende Einheit und unter Beibehaltung vollständiger Unabhängigkeit in Bezug auf die Organisation der verschiedenen Vereine, einen einigenden Zusammenschluss zu bilden auf der folgenden allgemeinen Basis: 

"Die Christlichen Vereine Junger Männer haben den Zweck, solche jungen Männer miteinander zu verbinden, welche Jesum Christum nach der Heiligen Schrift als ihren Gott und Heiland anerkennen, in ihrem Glauben und Leben seine Jünger sein und gemeinsam darnach trachten wollen, das Reich ihres Meisters unter den jungen Männern auszubreiten." 

Ein englischer Delegierter bat, die von Monnier vorgeschlagene Basis anzunehmen, vor allem, weil diese die Mitglieder auf die einzige Quelle zum christlichen Leben verpflichtete und die Vereine auf den alleinigen festen Grund, Jesus Christus, den Gekreuzigten, stellte. Auch George Williams unterstütze die von Monnier vorgeschlagene Basis. Stevens selber konnte freudig dazu ja sagen. Bevor weitere Beschlüsse gefasst wurden, beugten sich die Teilnehmer zum Gebet und baten Gott um seine Gegenwart und Leitung in Bezug auf die endgültige Wahl der Grundlage; man spürte, welch grosse Bedeutung die Beschlüsse haben würden, die es zu fassen galt. Nach einigen weiteren Aeusserungen von Delegierten wurde die von Monnier vorgeschlagene Basis nochmals verlesen, stehend angehört und anschliessend ebenfalls stehend zu einem einhelligen Beschluss erhoben. Aufs neue beugten sich hernach alle Kniee, um demütig Gott zu danken für seine Gnade und von ihm den Segen für den gefassten Beschluss, aber auch für alle Vereine, die nun zusammengeschlossen waren, zu erbitten. 

Man ging hernach daran, die weiteren Punkte die von Stevens vorgeschlagen waren, zu beraten. Nachdem die Frage der "assoziierenden Mitglieder" (bei uns bekannt als "Eingeschriebene Mitglieder") als allgemein praktiziert betrachtet wurde, wurden noch folgende Zusatzbestimmungen ohne Diskussion angenommen: 

  1. Dass keine an sich noch so wichtige Meinungsverschiedenheit über Gegenstände, die diesem Zwecke fremd sind, die Harmonie bründerlicher Beziehungen der verbundenen Vereine stören solle; 
  2. Dass eine Mitgliedskarte ausgegeben werde, durch welche die Glieder der verbundenen Vereine auf die Vorrechte aller anderen zum Weltverband gehörenden Vereine, sowie auf das persönliche Entgegenkommen aller Mitglieder derselben Anspruch haben;
  3. Dass das angenommene Korrespondezsystem betr. den Verbindungen zwischen den Bewegungen von der Konferenz gutheissen sei."

Die letztgenannte dieser Bestimmungen basiert auf der Tatsache, dass man zur Aufrechterhaltung der Verbindungen untereinander den Londoner-Verein für England, Edinburg für Schottland, Dublin für Irland, Paris und Nîmes für Frankreich und Belgien, Lausanne und St. Gallen für die Schweiz, Amsterdam für Holland, Elberfeld und Stuttgart für Deutschland und Washington und New York für die USA als Vororte betrachtete. 

 

Quelle: "Werden, Wachsen und Wesen der Christlichen Vereine Junger Männer." 1968. S. 19-20

Fest umrissene Grundlage,

aber weitgerichtetes Arbeitsfeld

Aufzeichnungen von Konferenzteilnehmern über die Gespräche und Beratungen lassen erahnen, wie zielgerichtet die ersten Vereine gewesen sind und wie klar z.B. die grundlegenden Prinzipien gesehen wurden. Man sprach von einem persönlichen, evangelischen, lebendigen Christentum. Da das Wort oekumenisch noch nicht geläufig war, sprach man von einer protestantischen Katholizität und meinte damit den Zusammenschluss verschiedener Denominationen auf der Grundlage des chrstlichen Glaubens. Man hielt auch fest, dass in den Verienen junge Männer aller Gesellschaftsklassen aufzunehmen seien. Es wird auch festgehalten, dass die Organisation von Ort zu Ort unterschiedlich sei. Ein kleiner, neu entstandener Verein dürfte kaum über eine äussere Organisation verfügen, doch macht ein Zuwachs in der Regel eine gute Organisation notwendig. Auch die Methoden waren unterschiedlich. Wir vernehmen von allgemeiner Aufbauarbeit, von Evangelisationsarbeit und von Besuchen bei Armen und Kranken durch Vereinsmitglieder, so z.B. in Genf. Der Verein in Antwerpen hatte bereits mit dem Dienst unter Seeleuten begonnen. Das Hauptziel der meisten Vereine war jedoch, dass junge Menschen eine Umkehr zu Gott erleben würden. Man unterschied bei dieser Arbeit die indirekten von den direkten Arbeitsmethoden. Man plante unter "indirekter Arbeit" die Verbesserung der Umgebung durch Vermittlung besserer Unterkunftsmöglichkeiten, Krankenbesuche und Jungmännerheime, aber auch persönliche Förderung durch Lesezimmer, Bibliotheken, Vorträgen und Abendkursen. Als direkte Arbeitsmittel wurden die Zusammenkünfte für gegenseitigen Aufbau, die Bibelstudien, Andachten für junge Männer, Traktatverteilung und das persönliche Zeugnis der Mitglieder genannt. 

 

Quelle: "Werden, Wachsen und Wesen der Christlichen Vereine Junger Männer." 1968. S. 20-22

Nach einem fotografischen Gruppenbild der ersten Weltkonferenz in Paris 1855: 

in der Mitte sitzend, mit aufgeschlagener Bibel: George Williams, rechts von ihm Gerhard Dürselen, links von ihm A. Stevens; rechts aussen stehend Henri Dunant, linker Mann in der mittleren Reihe: Max Perrot. 

Das Durchschnittsalter der 99 Delegierten, die meistens Studenten und Handlungsgehilfen waren, betrug 23 Jahre. Henri Dunant war 27 Jahre alt, Max Perrot, der Präsident des Genfer-Vereins, zählte erst 22 Lenze. Williams war damals 33 Jahre alt. Er blieb ein innerlich junger Mann bis zu seinem Tod im Jahre 1905. Vier junge Studenten, alle nur knapp über 20 Jahre alt (Frédéric Monnier aus Paris, Charles Cuenod aus Genf, Théophile Rivier und Eugène Renevier aus Lausanne) arbeiteten bis in die sinkende Nacht an der Verbesserung des Entwurfes der Pariser-Basis, die dann von der Konferenz angenommen wurde. 

 

Quelle: "Werden, Wachsen und Wesen der Christlichen Vereine Junger Männer." 1968. S. 22

Konferenzteilnehmer

 

Quelle: "Werden, Wachsen und Wesen der Christlichen Vereine Junger Männer."

1968. S. 22